Rapper Ben Salomo diskutiert mit Gymnasiasten über Antisemitismus im Deutsch-Rap und darüber hinaus

Rund 80 Schülerinnen und Schüler der 10. und 12. Klassen des Ev. Gymnasiums am Dom zu Brandenburg begegnen Rapper Ben Salomo und diskutieren über weltweiten Antisemitismus und sein großes Wiedererstarken in Deutschland.
Die unvorstellbaren Gräueltaten der Hamas-Terroristen durch die Ermordung von über 1.000 Jüdinnen und Juden in Israel am vergangenen Sonnabend und die teilweise inakzeptablen und nicht hinnehmbaren Reaktionen auf dieses Massaker aus der ganzen Welt bestimmten den Einstieg in die bereits längerfristig geplante über 90minütige Diskussion unter dem Titel „Antisemitismus im Deutsch-Rap und darüber hinaus“. Ben Salomo verschaffte den Schülerinnen und Schülern einen schnellen Überblick über die Geschichte des Staates Israel, bevor er in das speziellere Thema der Veranstaltung einstieg.
Antisemitismus, Judenfeindlichkeit und Ressentiments gegen Juden durch tief verwurzelte Vorurteile und Stereotype waren in Deutschland nie verschwunden und existieren fortbestehend in der deutschen Gesellschaft.
Dennoch – und damit waren die Schülerinnen und Schüler sofort vom Auftritt des Schöneberger Rappers Ben Salomo in Bann gezogen – spricht dieser von seiner großen Empathie für Deutschland. Er schwärmte vom Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das ihm als Jude in Deutschland wesentlich helfe, sich im Großen und Ganzen in Deutschland, besonders im Berliner Bezirk Schöneberg, zuhause zu fühlen. Aber ob er sich in Deutschland heimisch fühlen könne? Diese an sich selbst mit spürbaren Zweifeln gestellte Frage konnten sich alle im Auditorium selbst beantworten. Kann man sich in einem Land heimisch fühlen, in dem man mit elf Jahren zum ersten Mal die schreckliche Realität von Antisemitismus am eigenen Leib erfahren muss? Gestern noch der beste Freund, „wirklich so richtig und echt bester Buddy, Bro“, wie Ben Salomo schmerzhaft betont, und tägliche Bezugsperson wie man ihn als Elfjähriger nur ganz wenige hat, wird über Nacht zu der Person, die ihn erstmals in seinem Leben die abscheuliche Realität von Antisemitismus in Deutschland spüren lässt. Es brauchte nur diese kurze Zeit, in der sich sein engster Kumpel als der Mensch entpuppt, der ihn unter dem Schutz zweier älterer Jungs mit zutiefst demütigenden, harten Schlägen mit Prügeln überzieht. Und dies nur, weil Jonathan (so der gebürtige Vorname von Ben Salomo) seinem besten Freund die eigentlich völlig deplatzierte Frage beantwortet, woher er komme, denn er sehe doch nicht so Deutsch aus wie beispielsweise er selbst. „Häh? Wie bitte? Was soll denn diese Frage, Kumpel?“ denkt sich der Zuhörer in diesem Moment in der Rolle des jungen Ben zu fragen. Natürlich aus Berlin, genauer gesagt aus Schöneberg. Hier lebe er doch seit seinem vierten Lebensjahr, nachdem er mit seinen Eltern aus seiner Geburtsstadt Tel Aviv (bzw. der 20km südlich gelegenen Stadt Rechovot) nach Deutschland gezogen war.
Ben Salomo lebt seitdem immer mit dem mulmigen Gefühl, dass ihm fremde Personen etwas antun könnten, er immer von einer latenten Gefahr für sich selbst ausgehen müsse. Er lernt damit zu leben. Aber darf das normal sein, dass man sich in diesem eigentlich emotional geschützten und identitätsstiftenden Raum „Heimat“ so unfrei und bedroht fühlen muss? Er und Arthur Rubinstein, Moderator der Veranstaltung, erzählen den jugendlichen Zuhörer*innen, dass sie sich ihr ganzes Leben eigentlich nur bei Besuchen ihrer Verwandten in Israel sicher und frei fühlten, bis der schreckliche zurückliegende Samstag auch hier das Sicherheitsgefühl auf unfassbare Weise mit tiefer Trauer zerstörte.
Das Auditorium ist spätestens jetzt hoch sensibilisiert und horcht aufmerksam den Erzählungen zu, wie Jonathan Kalmanovich zu einer anerkannten Größe in der deutschen Rapmusikszene wird und mit seinem hebräischen Zunamen Ben Salomo eine Person der öffentlichen Musikszene in Deutschland wird. In den Anfängen von YouTube und anderen digitalen Kanälen kreiert Salomo mit Freunden und Weggefährten das erfolgreiche Rapbattle-Format „RapAmMittwochTV“. Er präsentiert den Schülerinnen und Schülern Ausschnitte aus dieser persönlich so aufregenden und erfolgreichen Zeit. Aber diese endet durch rassistische und antisemitische Anfeindungen und immer bedrohlichere Hetze gegen ihn als jüdisch stämmigen Deutschrapper. Er steigt 2018 aus Protest gegen den um sich greifenden Antisemitismus im Deutschrap aus, auch weil er persönlich Ziel der Anfeindungen wird. Der ihm entgegengebrachte Hass, die fast tätlichen Morddrohungen in den sozialen Netzwerken sind nicht mehr auszuhalten. Die Schülerinnen und Schüler erhielten in den folgenden 30 Minuten einen Einblick in die islamistische und antisemitische Bild- und Tonsprache in Musikclips etlicher deutschsprachiger Rapper. Er zeigt anhand verschiedener Bildquellen, wie verflochten die islamistische und rechtsextremistische Szene in Deutschland verbunden ist und klärt auf über Kleidung, Gestik und Symbole, mit denen Judenhass und Israelfeindlichkeit in den sozialen Medien als kollektive Merkmale des radikalen Gedankengutes in Deutschland öffentlich zur Schau getragen werden.
Ben Salomo erzählt, er nimmt die Schülerinnen und Schüler voll ein und füllt den Raum mit seiner großartigen Präsenz in Sprache und Körperhaltung. Ein so cooler und sympathischer Typ erreicht Menschen im jugendlichen Alter auf ganz besondere Weise. Die Diskussion mit allen teilnehmenden Schülerinnen und Schülern fiel, anhand der regen Beteiligung zu urteilen, am Ende etwas zu kurz aus. Das zeigte sich auch, als nach dem Abschluss der Diskussionsveranstaltung Ben Salomo noch eine gute halbe Stunde länger mit einer kleineren, informationshungrigen Schülergruppe in intensiven persönlichen Gesprächen und Diskussionen verweilte. Als Fazit können wir auf ein Erlebnis zurückblicken, das für die Schulgemeinschaft zu einem großen Gewinn wurde und durch das die Schülerinnen und Schüler vielleicht mehr lernten, als sie in anderen Unterrichtseinheiten aufnahmebereit gewillt gewesen wären.
Ein großer Dank des gesamten Evangelischen Schulcampus am Dom zu Brandenburg für diese nachwirkende Veranstaltung gilt an erster Stelle Ben Salomo und für die Moderation Arthur Rubinstein. Der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg e. V. danken wir für die Organisation der landesweiten Israel-Woche und für die Begrüßung durch den Vorsitzenden Jochen Feilcke und dass sie nach 2022 erneut willkommene Gäste bei uns am Domgymnasium waren. Anerkennen möchten wir hierbei auch das Engagement der Konrad-Adenauer-Stiftung und Friedrich -Naumann-Stiftung als Förderer der Veranstaltungswoche.