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Auf den Spuren der Ritterakademie

Arbeitsgruppe Ritterakademie:

Seit dem Frühling 2010 gibt es eine Gruppe von Schülern am Domgymnasium, die ein spannendes historisches Thema erforschen: Auf der Dominsel in Brandenburg a.d. Havel existierte über 200 Jahre lang ein Internat mit Schule, die sogenannte Ritterakademie. 1937 wurde das Gymnasium der Ritterakademie von den Nationalsozialisten geschlossen, das Internat versank im Chaos der letzten Kriegstage im Mai 1945. Noch gibt es Zeitzeugen, die vom Leben in der Ritterakademie berichten können, wie Herrn Knud Caesar aus Berlin. Was er erzählt, stößt auf großes Interesse bei den Schülern des Domgymnasiums in Brandenburg. Die suchen nämlich in der Geschichte ihrer Vorläuferschule nach Werten, die ihnen heute noch Orientierung geben können.

Aus dem Interview mit Herrn Caesar

Begehung des ehemaligen Gebäudes der Ritterakademie am 14.6.2010:

Herr Caesar:
Zu meiner Herkunft: Geboren bin ich in der Niederlausitz, im Kreise Guben. Später bin ich in Sachsen aufgewachsen, auch auf dem Lande, und weil das eben weit ab von jeglicher Schulmöglichkeit war, bin ich zunächst in ein Internat nach Thüringen gekommen, das 1939 von den Nazis aufgelöst wurde. In der Zwischenzeit sind meine Eltern nach Werder gezogen und da ich schon mit meinem Bruder in Thüringen im Internat war, bot es sich an, uns auch hier zusammen unterzubringen. Dann sind wir hierher nach Brandenburg in die Ritterakademie gekommen, sodass ich es nach Werder nicht weit hatte. Aber wir sind höchstens alle paar Wochen mal zuhause gewesen.

Josefine:
Hat es die Beziehung zur Familie nicht belastet, wenn man so selten zu Hause ist?

Herr Caesar:

Nein. Also da ich schon mit fast neun Jahren ins Internat gekommen bin, war das für mich eine Selbstverständlichkeit. Ich hab keine Kontakte nach Hause verloren, überhaupt nicht. Ich bin gerne im Internat gewesen, habe mich da auch immer ganz gut eingefühlt und eingefunden und habe dadurch überhaupt keine Belastung zur Familie gehabt.

Josefine:
Ist die Erziehung von den Eltern ausgegangen oder ist sie von den Lehrkräften bestimmt worden?

Herr Caesar:
Die Grundlage war von zuhause, und das haben wir auch hier in Brandenburg in der Ritterakademie gepflegt. Wir hatten wirklich einen christlichen Hintergrund. Den hatten wir von zu Hause, aber den hatten wir auch hier.

Aber jetzt sollten wir vielleicht rumgucken, was hier gewesen ist. Also hier unten war die Küche und hier gab es einen Aufzug mit dem die Speisen nach oben zum Speisesaal transportiert wurden. Wir sind als Schüler eigentlich nie hier unten gewesen. Ganz hinten am anderen Ende dieses Raumes war allerdings eine Badewannenanlage und da gab es einen schönen Plan, dass jeder einmal in der Woche in die Badewanne musste. Zu sechst haben wir dann in den Badewannen rumgeplantscht.

Und hier war die Wohnung der Köchin und des Personals, und im Kriege war ja manchmal das Essen nicht so, dass einem das immer schmeckte, und wenn es etwas gab, was nicht so gut schmeckte, dann wurde die Parole „Kahlfraß“ ausgegeben, dann wurde schnell alles aufgegessen und dann wurden die Schüsseln in die Küche gebracht, Nachschub geholt und dann hatten sie nichts mehr. Und dann wurden irgendwelche Vorräte geholt, die uns besser schmeckten.

Herr Caesar:
Alle Räume, die zum Internat gehörten, befanden sich im Nordflügel und anschließend drüben auch im Ostflügel. Das hier war der Speisesaal. Und hier und rundherum an den Wänden waren Konsolen und darauf Büsten der preußischen Könige, vom Großen Kurfürsten angefangen. Und wenn der Aufsicht führende Lehrer besonders geärgert wurde, dann stand hinter jeder Büste ein Wecker, der in einer Minute Abstand bimmelte. Dann bimmelte das hier rundherum. Diese Scherze wurden im Internat mit Freuden gemacht.

Herr Hofmann:
Also, Lehrer zu ärgern, war damals durchaus üblich?

Herr Caesar:
Ja durchaus.

Josefine:
Was war eine typische Bestrafung dafür? Irgendwie muss man ja wieder zurechtgewiesen werden.

Herr Caesar:

Ja, man hat hier nach dem Prinzip „Jugend soll Jugend selber erziehen“ verfahren. Also Selbsterziehung war hier eigentlich überhaupt das Prinzip. Dazu müsste ich die ganze Hierarchie nochmal kurz erklären. Es war eigentlich so, dass der Primus Omnium (der älteste Schüler) für den ganzen inneren Betrieb verantwortlich war. Er stand in Kontakt mit dem Direktor und dem Aufsicht führenden Lehrer. Und wenn also so etwas geschah, dann wandte sich der Direktor oder der aufsichtführende Lehrer an den P.O.(Primus Omnium) und dann wurde darüber befunden: Muss bestraft werden? Wie muss bestraft werden? Und es kam also durchaus vor, dass es bei solchen Gemeinschaftsaktionen zu Bestrafungen kam wie irgendwelche Sportaktivitäten auszuführen oder nach militärischer Art alle 5 Minuten in einer anderen Kleidung erscheinen oder die Treppe rauf und runter zu rennen. Richtige Bestrafungen wurden eben ausgehandelt. Es kam auch vor, dass jemand, der etwas Ehrenrühriges getan hatte, den Autoritäten ausgeliefert wurde. Es wurde immer versucht, es gemeinsam zu verantworten, also es gemeinsam zu tun und auch gemeinsam dazu zu stehen.